Persönliches Absturzschutzsystem
Persönliche Absturzschutzsysteme müssen hohen Anforderungen entsprechen, da sie gegen Lebensgefahr schützen sollen. So ist neben sachgerechter Herstellung und Inbetriebnahme (vgl. / vgl.), Auswahl und Zusammenstellung (vgl. / vgl.), Unterweisung und Anwendung (vgl. / vgl.) auch die regelmäßige Prüfung (vgl. / vgl.) dieser Ausrüstungen erforderlich.
Inhaltsverzeichnis
- Definition
- Systematik
- Auswahl, Errichtung und Inbetriebnahme
- Prüfung und Prüfroutine
- Unterweisung und Übungen
Definition
Das Persönliches Absturzschutzsystem ist eine personenbezogene Maßnahme zur Absturzsicherung für Personen und findet bei freiwillig, bewusst und geplanter Begehung oder Exposition in absturzgefährdeten Bereichen bei diversen Tätigkeiten eine Anwendung.
Systematik
Ziel des Einsatzes Persönlicher Absturzschutzsysteme ist die Abwendung oder Minimierung einer Gefährdung durch Absturz bei der Bewegung an Absturzkanten oder durch einen Sturzraum, wenn die Absturzgefährdung, weder durch kollektiv schützende technische Absturzsicherung erreicht, noch durch organisatorische Schutzmaßnahmen hinreichender Schutz vor Absturz hergestellt werden kann oder soll. Die Plausibilität der Entscheidungen und Festlegungen systematisch über eine Gefährdungsbeurteilung zu organisieren, ist bei der Verwendung in Arbeitssystemen und Trainingsumgebungen verpflichtend.
Hilfestellung zum "technisch" - systematischen Verständnis liefert die DIN EN 363. Die über Teilbereiche und Ausbildung im Bausteinprinzip strukturierte DGUV Grundsatz 312-906 stellt einen "organisatorisch" Ansatz zum besseren Verständnis, als auch einen Lösungsweg zur Kompetenzentwicklung für unterschiedliche Anwendungs- und -Einsatzbereiche zur Verfügung.
Quelle: vgl. PSA-BV § 1, DGUV V 1 §31, Auszug aus DGUV R 112-198
Technische Systematik
Jedes Persönliche Absturzschutzsystem setzt die Verfügbarkeit einer statisch ausreichend dimensionierten Anschlagmöglichkeit voraus. Im Kontext zukünftiger Verwendung kann die Sicherheit und Ergonomie einer Anschlagmöglichkeit durch Installation festverbundenen Anschlageinrichtungen verbessert werden.
Die Verbindung zur Person wird über Persönlichen Absturzschutzausrüstungen eintsprechend Einsatzweck und Einsatzumfeld ausgewählt und zusammengestellt.
Je nach Auswahl und "Zusammenstellung der verwendeten Einzelkomponenten" verhindert ein Persönliches Absturzschutzsystem nach Definition und Begrifflichkeit der DIN EN 363 den Absturz:
- bereits vor dem Übertritt einer Absturzkante durch zurückhalten (Rückhaltesystem),
- oder öffnet in Ausprägung als planmäßig belastetes (Arbeitsplatzpositionierungssystem) oder (Tragsystem) den Zugang in und durch einen Sturzraum.
- oder erlaubt in Zusammenstellung als (Auffangsystem) den nichtplanmäßigen Übertritt über eine Absturzkante oder das Versagen eines planmäßig belasteten Systems durch systematisches Auffangen (vgl. Fangstoß) innerhalb zulässiger Verträglichkeitsgrenzen,
- erlaubt angewendet durch einen Rettter in Ausprägung als (Rettungssystem), ein sicheres verlassen eines Bereichs mit Absturzgefährdung bzw. Sturzraum für den Verunfallten
Quellen: vgl. DIN EN 363, TRBS 2121, TRBS 2121 Teil 3
Organisatorische Systematik
Die organisatorische Systematik für planmäßig in Arbeitssystemen oder Trainingsumgebungen eingesetzte persönliche Absturzschutzsysteme sind relativ eindeutig und nachvollziehbar über die DGUV Grundsätze 312-906 und 312-001 geregelt. Der DGUV Grundsatz 312-906 greift dabei auch Anwendungs- und Einsatzbereiche (Teilbereiche) auf, welche aufgrund besonderer Einsatzbedingungen und Ableitungen per Definition kein "Arbeitssystem" darstellen.
Teilbereiche mit Expositionsinteresse (ohne hoheitlichen Auftrag) mit Fokus "Werkstück"
- Arbeitssysteme unter Verwendung von Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA)
- Vorhaltung und Anwendung von Persönliche Absturzschutzausrüstung zum Retten (RA)
- Arbeitssysteme unter Anwendung von Seilzugangs- und Positionierungstechniken
- Industrieklettern (SZP)
- Seilklettertechnik (SKT)
- Veranstaltungstechnik (VT)
Teilbereiche mit Expositionsinteresse (ohne hoheitlichen Auftrag) mit Fokus "Spaß"
- Sport- und Freizeitanlagen / Veranstaltungen / Reisen
- Kletteranlagen
- Seiltechniken in der Erlebnispädagogik (STEP)
- Seilgärten (SFA-S)
- Bergführung
- Bergsport
Teilbereiche mit Expositionsauftrag (mit hoheitlichem Auftrag) mit Fokus "Rettung"
- Feuerwehr - Gerätesätze (AGBF)
- Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT)
- Bergwacht - Gerätesätze
- Bergrettung
- Polizei - Gerätesätze
- Höheninterventionstechnik (HIT)
- Militär - Gerätesätze
- Höheninterventionstechnik (HIT)
Anmerkungen und Ergänzungen der Redaktion zum besseren Verständnis, Veranschaulichung und Vervollständigung in einem nachvollziehbaren Ordnungsprinzip.
Auswahl, Errichtung und Inbetriebnahme
Ein verantwortlicher Betreiber hat Persönliche Absturzschutzsysteme entsprechend den Einsatzbedingungen, den betrieblichen Verhältnissen, den geplanten Anwendungen und in Einschätzung notwendiger Benutzungskompetenz fachkundig auszuwählen. Die zusätzliche Beratung durch erfahrene Anwender und Prüfer für Persönliche Absturzschutzausrüstung kann Hilfestellung leisten, den Reifegrad erhöhen und eine nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bessere Entscheidungsgrundlage liefern.
- Für die planmäßige Benutzung von Persönlichen Absturzschutzsystemen hat der Betreiber eine Betriebsanweisung zu erstellen, die alle für den sicheren Einsatz erforderlichen Angaben für das Verhalten während der Benutzung regelt.
- zur Benutzung freigegebene Anschlagmöglichkeiten sind vorher zu bewerten, im Zweifel statische Nachweise einzuholen
- die Nebenbedingungen des Herstellers verbauter Anschlageinrichtung (Montage/Anwendung/Prüfung) sind einzuhalten
- Überwachung, Pflege und Wartung der im betrieblichen Umfeld freigegebenen Anschlagmöglichkeiten und Anschlageinrichtungen und sinnvolle Maßnahmen zur Verhinderung einer Zweckentfremdung sind zu berücksichtigen
- Spätestens mit Übergabe auf einen Benutzer ist die Inbetriebnahme der [Persönliche Absturzschutzausrüstung] (mobiler Systembestandteile) PSA gegen Absturz zu dokumentieren.
- Wesentliche Inhalte aus Bedienungsanleitungen und Herstellerhinweise der Systemkomponenten sind den Anwendern zugänglich zu machen.
Quelle: TRBS 2121, DGUV R 112-198, und siehe Herstellerhinweise Systembestandteile, vgl. PSA-BV § 2
Prüfroutinen
1. Sicht- und Funktionsprüfung durch den Anwender
Die Kenntnis über die Durchführung von Sicht- und Funktionsprüfungen an Systembestandteilen Persönlichen Absturzschutzeinrichtung nach DIN EN 363 stellen daher auch wichtigen Lehrinhalte der Unterweisung eines Anwenders dar.
"Die Versicherten haben persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz vor jeder Benutzung durch Sichtprüfung auf ihren ordnungsgemäßen Zustand und auf einwandfreies Funktionieren zu prüfen."
Quelle: DGUV R 112-198; 8.2.1
2. Prüfung durch Sachkundige/ Befähigte Person
"Persönliche Absturzschutzausrüstungen sind entsprechend der Einsatzbedingungen und den betrieblichen Verhältnissen nach Bedarf, mindestens jedoch innerhalb von 12 Monaten auf ihren einwandfreien Zustand durch eine sachkundige Person zu prüfen."
Quelle: DGUV Grundsatz 312-906; 2
Der Unternehmer hat persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz entsprechend den Einsatzbedingungen und den betrieblichen Verhältnissen nach Bedarf, mindestens jedoch alle 12 Monate, auf ihren einwandfreien Zustand durch einen Sachkundigen prüfen zu lassen.
Quelle: DGUV R 112-198; 8.2.2
Befähigte Person Ja/Nein?
3. Ausserordentliche Prüfungen
Während der Lagerung und Benutzung bei und durch den Anwender bzw. Bediener können besondere Umstände eintreten, welche zu einer ausserordentlichen Prüfung von PSA gegen Absturz oder Ortsfesten Anschlageinrichtungen zwingen.
Quelle: diverse Bedienungsanleitungen von Modellen der Ordnung PSA gegen Absturz (PSAgA) und ortsfesten Anschlageinrichtung und Steigschutzanlagen (oAeSa)
Unterweisung
Der Betreiber hat die Benutzer:
- vor der ersten Benutzung und
- nach Bedarf, mindestens jedoch
- einmal jährlich zu unterweisen.
Die Unterweisung muss der aktuellen Gefährdungssituation gem. Gefährdungsbeurteilung angepasst sein. Die Übungen sind unter vergleichbaren Arbeits- und Einsatzbedingungen durchzuführen. Der Umfang der Übungen ist abhängig vom Ausbildungsstand der Beschäftigten und der eingesetzten Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz.
Hilfestellung bei der Erarbeitung und Bestimmung des notwendigen Ausbildungsumfangs und Ausbildungsqualität kann dem DGUV G 312-001 entnommen werden. Unter Anwendung des Grundsatzes kann auch bezüglich des potentiellen Ausbilders ein Anforderungskatalog, hinsichtlich der fachlichen und pädagogischen Eignung und Kompetenzen abgeleitet werden.
Quelle: DGUV V 1 §4, PSA-BV § 3, TRBS 2121, DGUV R 112-198 und siehe Herstellerhinweise der Systembestandteile
Unterweisungsinhalte
- Einführung in die Absturzgefährdung und Sturztheorie
- Erkennen einer Absturzkante
- Hierachie der Absturzsicherung und (S)TOP-Prinzip inkl. Vorrang der Benutzung von Rückhaltesystemen
- Problematik einer Gefährdung durch Hängetrauma
- Anforderungen und Bedeutung der Auswahl körperlich geeigneter Personen
- arbeitsmedizinische Vorsorge- und Eignungsuntersuchung
- Einsatztauglichkeit (Tagesform)
- Wahl eines geeigneten Kopfschutz
- Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung
- (Vorstellung der innerbetrieblichen Betriebsanweisung)
- Bedeutung der Einsatzplanung
- Bedeutung der Notfallplanung (Evakuierungsplanung- und Rettungsvorbereitung)
- Bedeutung der LMRA
- Notwendigkeit der Sicherheitskoordination bei der Verwendung
- von Fahrgerüste, Leitern und Tritte
- auf Befahranlagen, Arbeitskörben und Hubarbeitsbühnen
- Hebeeinrichtungen und ortsfesten Krananlagen
- in Behälter, Schächte und umschlossene Räume z.B. DIN EN 14396
- Anforderungen an die Bereitstellung, Auswahl und Benutzung von
- horizontale Bewegung auf Dächern von Bauwerken
- vertikale Bewegung an Bauwerken und in Zugängen
- einschließlich Rückenfangkorb
- einschließlich Führung nach DIN EN 353-1
- Problematik einer Gefährdung durch scharfe Kanten
- Erweiterung und Integration von Arbeitsplatzpositionierungssystemen
- Abgrenzung und Ableitung in die bestimmungsgemäße Benutzung als Trag-, Sicherungs- oder Auffangsystem im jeweils geltenden Teilbereich der DGUV G 312-906 und dessen Anforderungen
- Abgrenzung und Ableitung in die bestimmungsgemäße Benutzung als Rettungsystem und Plausibilität zum Rettungsplan/-verfahren
- Allgemeine Lagerungs- und Benutzungsbedingungen
- Möglichkeiten der Pflege
- Vorgehensweise und Erkennen von Schäden (operative Prüfung)
- Ursachen für Eintritt und Notwendigkeit von ausserplanmäßigen Sachkundeprüfungen
Synonyme:
Persönliche Absturzsicherung, Persönliche Absturzschutzausrüstung, Persönlicher Schutzausrüstungen gegen Absturz, PSA gegen Absturz, PSAgA, Persönliches Absturzschutzsystem, Fallschutz, Steigschutz, Höhensicherung, Planung und Benutzung von PSA gegen Absturz in Persönlichen Absturzschutzsystemen nach DIN EN 363 (Auszug: „Unternehmerpflichten“)