Kletterseile DIN EN 1891, 892, 564
Definition
Ein Seil ist ein aus zusammengedrehten Natur- oder Kunstfasern oder Drähten bestehendes längliches, biegeschlaffes, elastisches Element, das meist zur Übertragung von Zugkräften verwendet wird.
Abgrenzung
Im Bereich von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sind keine Naturfaser- sondern ausschließlich Kunstfaserseile zulässig. Diese unterscheiden sich hinsichtlich des Aufbaus in:
- gewebte Kunstfaserseile mit einem Kern-Mantel-Struktur in Verwendung.
- gedrehte Kunstfaserseile werden hier und da aber noch als Baugruppenbestandteil innerhalb anderer Familien z.B. Verbindungsmittel EN 354, EN 358, EN 566 und Falldämpfer EN 355, bei Mobile Auffanggeräte und Führungen (vertikal) DIN EN 353 oder Mobile Anschlageinrichtungen DIN EN 795 (B,E) eingesetzt.
Dynamische Seile
Dynamische Seile sind ebenfalls gewebte Kunstfaserseile und in einer Kern-Mantel-Struktur aufgebaut. Sie verfügen über ausgeprägte Dehnungsfähigkeiten.Als Kletterseil finden sie im handwerklich/ industriellen Sektor selten Anwendung, sondern tauchen dort eher als Baugruppenbestandteil von Verbindungsmittel EN 354, EN 358, EN 566 und Falldämpfer EN 355 auf. Lediglich einige Vorstiegstechniken der Industriekletterer und Sicherungstechniken der Rettungsdienste zwingen zur Benutzung von Dynamischen Seilen nach DIN EN 892.
Hauptverbreitungsgebiet von Dynamischen Seilen ist der Bereich des Sportkletterns. Bei privater Nutzung des Seils sollte hierbei auf eine UIAA Standard geachtet werden. Bei gewerblicher Nutzung im Sportkletterbereich und in der Erlebnispädagogik (Hochseilgärten, Canyoning usw.) kann sich an der DIN EN 892 orientiert werden.
Statikseile
Statikseile oder auch Speleoseile haben im Vergleich zu dynamischen Seilen eine Gebrauchsdehnung von maximal fünf Prozent. Weil der Begriff Statikseil fälschlicherweise suggeriert, dass diese Seile keine Gebrauchsdehnung aufweisen, werden diese Seile oft auch als halbstatisch oder dehnungsarm bezeichnet.
Aufbau und Aussehen ähneln dem eines dynamischen Kletterseils. Statikseile sind ebenfalls in einer Kernmantelkonstruktion aufgebaut.
Die gegenüber den dynamischen Seilen geringere Dehnung verbessert ihre Handhabung als Tragseil. Sie finden beim:
- Geo-caching,
- Canyoning
- Speläologie
- Bergrettung
- Höhenrettung und als
Baugruppenbestandteil von
- Verbindungsmitteln
- Falldämpferkombinationen und als
- Führung von Auffangsystemen an beweglicher Führung Verwendung.
Industrieklettern
Beim Industrieklettern nach TRBS 2121 Teil 3 (Absturzgefährdung - Seilzugangstechnik) dürfen ausschließlich (Ausnahme Vorstieg) dehnungsarme Kernmantelseile nach DIN EN 1891 A verwendet werden. Die Norm unterscheidet 2 Typen A und B. Stand der Technik ist ein Seilquerschnitt von 10,5- 11mm um eine Kompatibilität zu verwendungsfähigen Abseilgeräten, Auffanggeräten und standardisierten Klemmknoten sicher zu stellen. Bei der Anwendung ist darauf zu achten, dass bei Belastung von Seilen hinter Endverbindungen (Knoten, Spleiß, vernähtes Auge) eine Bruchlastreduzierung des Seiles zur Folge hat. Beim Industrieklettern soll im Seil eine Mindestbruchlast in Höhe von 15kN sichergestellt werden. Aus Sicht der Autoren empfiehlt sich ein Kernmantelseil nach EN 1891-A auszuwählen, welches mit erhöhten Bruchlastangaben gem. Herstellerangaben (>30kN) ausgestattet ist. So wird dem Anwender die Möglichkeit zur Benutzung des z.B. Mastwurf oder Palstek als Anschlagknoten in der Personensicherung offen gehalten. Beide Knoten sind sicher,praktisch und ergonomisch in der Anwendung haben aber bruchlastreduzierende Wirkung in Höhe von 40-50%.
Baumklettern
Auch die Baumkletterer dürfen gem. TRBS 2121 Teil 3 (Absturzgefährdung - Seilzugangstechnik) ebenfalls ausschließlich nach DIN EN 1891 A zertifizierte Kernmantelseile einsetzen. Baumkletterer wählen hierbei häufig Kletterseile mit einem konstruktiv höheren Mantelanteil im Seilquerschnitt. Sie werden deshalb oft umgangsprachlich auch als Mantelkernseile bezeichnet. Baumkletterer kämpfen aufgabenbedingt häufig mit Naturharz verklebten Seilen. Dieses ist für die Seile nicht unbedingt schädlich, allerdings verkleben bei Seildurchlauf die verwendeten Abseilgeräte, Klemmen oder Sicherungsgeräte relativ schnell. Einige Baumkletterer arbeiten daher im Tragsystem häufig unter Verzicht mechanischer Aufstiegs- und Abseilhilfen, sondern kombinieren eine Reepschnur mit passender Klemmknotentechnik am Seil um sich vertikal zu bewegen. Die Ergonomie der Klemmknotentechniken wird weiter erhöht, wenn die Klemmknoten auf einem Seil ohne Mantelverschiebung entlang gleiten bzw. sich schieben lassen. Dies ist in einem dehnungsarmen Seil mit höherem Mantelanteil im Seilquerschnitt und entsprechend höherer Mantelbelastung durch den Anwender der Fall. Stand der Technik ist dann ein Seildurchmesser von ~13mm. Seile mit erhöhtem Mantelanteil sollten trotz EN 1891-A nicht in der Industrie eingesetzt werden, weil der Mantel, als erhöht tragender Bestandteil des Seiles, entsprechend steigende Sicherheitsrelevanz besitzt- im Gegenzug jedoch tendenziell anfälliger an scharfen Kanten reagiert. Mantelschäden müssen durch Anwender und Sachkundige daher strenger beurteilt werden.
Reepschnüre
Reepschnüre sind dünne Seile, welche im professionellen Bereich nur selten Anwendung finden.
Bei der Durchführung von DGUV-R 112-198 - Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz (ehemals GUV-R/BGR 198) sind Reepschnüre als Bestandteil eines Absturzschutzsystem nach DIN EN 363 generell unzulässig. Anwender führen mangels anderer Möglichkeiten hin und wieder eine 3-4m lange Reepschnur mit, um nach einem Systemsturz in den Gurt sich Selbsthilfe gegen das drohende Hängetrauma zu organisieren. Sie fertigen sich dann mit einer Reepschnur eine provisorische Trittschlinge. Durch hineinstellen kann so ein Gegendruck an den Füßen erreicht und eine Entlastung der Beinschlaufen vorgenommen werden.
Industriekletterer nach TRBS 2121-3 setzen Reepschnüre selten sicherheitsrelevant zur Eigen- oder Personensicherung im Trag- oder Auffangsystem eingesetzt. Sicherheitsrelevante Anwendungen findet allerdings bei defekten Geräten und einigen Rettungstechniken statt. Dort eingesetzte Reepschnüre müssen dann der DIN EN 564 entsprechen. Stand der Technik ist das Mitführen einer 2,5m und einer 4m langen Reepschnur mit jeweils 8mm Seilquerschnitt.
Baumkletterer setzen Reepschnüre ebenfalls sicherheitsrelevant und wie im Abschnitt "Dehnungsarme Seile bei Baumkletterern" bereits beschrieben häufig auch planmäßig bzw. zielgerichtet ein. Die Notwendigkeit einer Normung nach EN 564 ist daher obligatorisch.
- Bei privater Nutzung des Seils im Sportkletterbereich sollte auf eine UIAA Standard (101,102,107) geachtet werden.
- Bei gewerblicher Nutzung im Sportkletterbereich Erlebnispädagogik (Hochseilgärten, Canyoning usw.) sollte man sich dennoch an der EN 564 orientieren.
Arbeits- und Lastenseile
Seile zur Bewegung von Lasten sind keine PSA gegen Absturz.
Arbeits- und Lastenseile sind Anschlagseile zum Halten, Heben und Verschiebung von Nicht- Personenlasten und sollten zur Vermeidung einer Verwechselungsgefahr mit der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz, immer klar gekennzeichnet sein. Dies gilt sowohl für Stahl- als auch für Textilseile, welche zur Lastenbewegung eingesetzt werden.
Baum- und Industriekletterer arbeiten zur Erhöhung einer höheren Bruchlast und Verbesserung der Erkennbarkeit mit Textillastseilen, welche einen Seilquerschnitt von mind. 16mm aufweisen um zum Einen den auftretend- höheren Lasten Rechnung zu tragen und zum Anderen, dass sie nicht mit den Kletterseilen zur Personensicherung verwechselt werden können.
Auch wenn es sich bei klarer Kennzeichnung nicht mehr um PSA gegen Absturz handelt, sind Arbeits- und Riggingseile dennoch prüfpflichtig. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der Notwendigkeit, den Anwender (Kontrollverlust bei schlagartiger Entspannung eines Seils, dynamischen Lasten bzw. den Folgen eines Peitscheneffekts), den Bodenmann/-frau und unbeteiligte Dritte vor herabfallenden Lasten zu schützen. Aus diesem Grund ist für die Personensicherung nicht mehr verwendungsfähiges Seilmaterial nur bedingt geeignet, in ein Lastenseil umfunktioniert zu werden.
Die TRBS 1111 (Gefährdungsbeurteilungen) und Herstellerhinweise können ergeben, dass die eingesetzten Materialien zur Lastenbewegung nur durch speziell unterwiesene Anwender benutzt und speziell ausgebildete TRBS 1203 (Befähigte Personen) geprüft werden dürfen.
Hilfreiche Links und Informationen zur Kennzeichnung, Pflege und Kontrolle
- Tipps zur Pflege und Schutz eines Textilseils- PDF 2,9 MB
- Ablauf einer Prüfung eines Textilseils- PDF 6,6 MB
- Muster eines Prüfprotokolls für ein Textilseil- PDF 200 KB
Quelle: Petzl